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15. Dezember 2007
 

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UNO-KLIMAGIPFEL

Happy End auf Bali

Aus Nusa Dua berichtet Markus Becker

Es gab Tränen, Buhrufe und am Ende Umarmungen: Nach langem Ringen einigten sich die Delegierten auf Bali doch noch auf eine gemeinsame Roadmap. Konkrete Zahlen fehlen zwar, für die meisten ist es dennoch ein Erfolg. Vor allem für die Kyoto-Staaten - sie einigten sich auf handfeste Reduktionsziele.

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Sie saßen mitten unter rund 200 Menschen, aber sie waren plötzlich sehr allein: Paula Dobriansky, Leiterin der US-Delegation, und ihr Kollege James Connaughton bekamen nicht nur Unmut, sondern teils nackte Feindseligkeit zu spüren. Als Dobriansky ankündigte, die USA würden der Bali-Roadmap nicht beitreten, hallten Buhrufe durch den Saal. Anschließend wurden die Amerikaner von mehreren Delegationen scharf angegriffen.

Klima-Aktivisten in Bali: Am Ende der Uno-Umweltkonferenz hatten die meisten Grund zur Freude
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DPA

Klima-Aktivisten in Bali: Am Ende der Uno-Umweltkonferenz hatten die meisten Grund zur Freude

"Unwillkommen und ohne jede Basis" nannte etwa der Vertreter Südafrikas die Anschuldigungen der USA an die Entwicklungsländer. "Sie sind nicht in der Lage, die Führung zu übernehmen. Gehen Sie aus dem Weg", griff der Vertreter Papua-Neuguineas die USA direkt an. Der entscheidende Punkt in diesem Moment war wohl, dass Japan, Australien oder Russland - die anderen Gegner von bindenden Treibhausgas-Emissionen - den USA in diesem Moment nicht beisprangen. Um die völlige Isolierung zu vermeiden, knickten die Amerikaner ein. "Wir treten dem Konsens bei", sagte Dobriansky. Diesmal gab es teils stehende Ovationen der Delegierten.

"Dass die USA sich in diesem Moment nicht bockig angestellt haben, ist nobel", sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nach der Einigung. Eine Inszenierung vermutet er dahinter nicht. "Die USA hätten es sich auch einfacher machen können, indem sie gleich zu Anfang zugestimmt und den Konflikt in der G77 belassen hätten", so Gabriel. Die Vereinigung von 130 Entwicklungsländern plus China ist inhaltlich zerstritten, weil die großen Staaten am Ende mit Erfolg verhindert haben, dass nationale Unterschiede gemacht werden. Insbesondere den kleinen Inselstaaten, die vom Klimawandel am meisten bedroht sind, schmeckte das gar nicht. Doch hier habe die Kehrtwende der USA eine weitere gute Seite gehabt: "Dadurch haben Costa Rica und andere ihre Änderungsanträge zurückgezogen", so Gabriel.

Kyoto-Staaten einigen sich auf harte Ziele

In der Roadmap fehlt also das von den Europäern und dem IPCC geforderte Langfrist-Ziel, den Treibhausgas-Ausstoß der Industrieländer bis 2050 auf die Hälfte des Werts von 1990 zu drücken. Auch der in früheren Versionen enthaltene Hinweis, die Kehrtwende bei den weltweiten Emissionen muss in 10 bis 15 Jahren geschafft sein, ist nun gestrichen.

Zumindest aber für die Unterzeichner-Staaten des Kyoto-Protokolls war Bali ein voller Erfolg: Wie Hans-Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE bestätigte, haben sie sich untereinander auf wesentlich schärfere Ziele geeinigt.

In einem ihm vorliegenden separaten Abschlussprotokoll dieser Staaten stünden alle ursprünglich angestrebten Reduktionsziele - unter anderem die gemeinsame Vereinbarung, "eine deutlich mehr als 50-prozentige Reduktion der Emissionen bis zum Jahr 2050" anzustreben. Als Zwischenschritt wird das in dem anderen Abschlusspapier nur als Fußnote erwähnte Ziel der Treibhausgas-Reduktion um 25 bis 40 Prozent bis zum Jahr 2020 in Bezug auf die Höhe der Emissionen im Jahr 1990 explizit aufgeführt. Am bemerkenswertesten laut Schellnhuber aber ist, dass sich auch Japan und Russland, die zu den Unterzeichner-Staaten des Kyoto-Protokolls gehören, mit dieser Abschlusserklärung klipp und klar zum Klimaschutz bekannt haben - trotz ihrer vorherigen Blockade-Haltung.

Entwicklungsländer setzten sich durch

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Unter dem Strich konnten die Entwicklungsländer ihre Sicht, ein Recht auf Wirtschaftswachstum zu haben, gut durchsetzen. Mit einer Last-Minute-Initiative zwang Indien die Industriestaaten, sich zu "messbaren, meldepflichtigen und überprüfbaren" Hilfen auf den Gebieten des Technolgie-Transfers, der Entwicklung und der Finanzierung zu verpflichten. Die Entwicklungsländer haben sich im Gegenzug bereit erklärt, ihre Treibhausgas-Emissionen zu senken und ihre Naturschätze nachhaltig zu bewirtschaften - insbesondere die Wälder.

Zwischenzeitlich sah es so aus, als könnte die Konferenz trotz des in einer Nachtsitzung ausgehandelten Kompromisspapiers noch scheitern. Die niederländische Umweltministerin Jacqueline Cramer bezeichnete den Änderungswunsch Indiens als "völlig inakzeptabel". Doch später schluckte die EU die Kröte: Im Plenum erklärte der Portugiese Humberto Rosa, die EU werde den Vorschlag akzeptieren. Jubel brandete auf.

Als Witoelar anschließend versuchte, die Plenarsitzung fortzusetzen, obwohl außerhalb noch verhandelt wurde, ließ die chinesische Delegation alle Diplomatie fahren. "Wir verlangen eine Entschuldigung vom Klimasekretariat." Als dessen Chef Yvo de Boer sich vor dem Plenum rechtfertigen wollte, verließ er unter Tränen den Saal.

DAS MANDAT VON BALI

Fahrplan bis 2012

Die UN-Konferenz auf Bali hat das Verhandlungsmandat für ein neues globales Klimaabkommen beschlossen. Der Vertrag soll 2009 auf der Klimakonferenz in Kopenhagen abgeschlossen und in den Folgejahren ratifiziert werden. Das Abkommen soll dann das Kyoto-Protokoll ablösen, das 2012 ausläuft. Die USA wollen sich anders als bei Kyoto an dem neuen Abkommen beteiligen. Neben dem Klimaschutz nennt das Mandat auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie die Armutsbekämpfung als vorrangige Aufgaben.

Weltklimarat

Pflichten der reichen Länder

Pflichten der armen Länder

Hilfe für arme Länder

Kopenhagen 2009

Trotz aller Erleichterung über die Einigung in letzter Minute kritisierten Umweltschützer die Bali-Roadmap. Man habe zwar ein "belastbares Mandat" mit einem Enddatum: 2009 sollen die Schlussverhandlungen über ein neues Klimaabkommen in Kopenhagen stattfinden. "Aber wir haben für die Industriestaaten keine Ziele hinbekommen", sagte Regine Günther von der Umweltorganisation WWF.

Gabriel: Bali-Roadmap ist "nicht ausreichend"

Damit bezog sie sich auf eine Fußnote in der Bali-Erklärung, die auf ein Papier des Uno-Klimarats IPPC verweist. Sie wurde mit aufgenommen, weil die EU sich nicht mit dem Ziel durchsetzen konnte, die Treibhausgas-Emissionen der Industriestaaten bis 2020 um 25 bis 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch mochte die negative Einschätzung seiner Kollegin nicht ganz teilen. Das IPCC-Papier enthalte zwar neben dem 25- bis 40-Prozent-Ziel auch weitere Bandbreiten, wie etwa eine von 0 bis 40 Prozent. "Aber da in der fraglichen Stelle von 'tiefen Einschnitten' die Rede ist, kann es nicht die unterste Grenze sein."

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Gabriel zog eine geteilte Bilanz des Gipfels. "Es muss zwei Perspektiven geben", so der Minister. Angesichts der "Dramatik" des Klimawandels sei die Bali-Roadmap "nicht ausreichend". "Aber wir haben ein Verhandlungsergebnis erreicht, das weit mehr beinhaltet, als wir angesichts der Ausgangsvoraussetzungen und der unterschiedlichen Interessenlagen haben erwarten dürfen." Man habe etwa beschlossen, dass es deutlich stärkere Beiträge der Industrienationen geben müsse. "Und zwar aller Industrienationen - einschließlich den Vereinigten Staaten", so Gabriel. "Wer hätte das vor drei Monaten oder drei Tagen schon erwartet?"

Mitarbeit: Jens Lubbadeh








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